Haus Oertmann (ehem. Bovenkerk)

Auf dem Hof im Dorf an der Weseler Straße wohnte 1642 urkundlich nachweisbar der Vogt und Schöffe Anton Blank. Nachfolger auf dem Hof wurde 1674 sein Sohn Jan Blanken gnt. Bovenkerk, der ebenfalls Schöffe war. Am 28. Dezember 1741 heiratete Nikolaus Bovenkerk die Anna Catharina Hackmann. 1756 übernahm Claes Bovenkerk den Hof.

Der ehemalige Oberhof Hamminkelns, an der damaligen Weseler Straße Nr. 38, wurde 1780 von Claes Bovenkerk auf alten Gebäudefundamenten neu errichtet. Der Hof wurde nach der Familie Bovenkerk benannt. Der Name Bovenkerk leitet sich aus der Hoflage an der Kirche ab (boven = Wohnstätte, kerke = Kirche). Der Hofname blieb über viele Generationen identisch mit dem Familienname des Besitzers, deren Familie sich ein Vorkaufsrecht im Hypothekenbuch eintragen ließ.

Haus Ortmann

Im alten Melderegister sind als Besitzer 1822 der Ackerwirt Bovenkerk, 1830 Sohn Wilhelm Bovenkerk und 1878 Wilhelm Bovenkerk eingetragen.

Vom Kreisausschuss des Kreises Rees in Wesel wurde am 28. Dezember 1898 dem "Wilhelm Bovenkerk junior zu Hamminkeln die Erlaubnis erteilt, in dem Wohnhause Nr. 38 der Gemeinde Hamminkeln in den näher beschriebenen Räumlichkeiten eine Schenkwirtschaft zu betreiben."

Diele im Haus Oertmann

Neben der Schenkwirtschaft betrieb Wilhelm Bovenkerk hier um 1900 auch eine kleine Schnapsbrennerei. Vor dem Haus standen bis Ende des 19. Jahrhunderts fünf gekürzte Linden, von denen heute nur noch vier vorhanden sind.

Als Wilhelm Bovenkerk starb, heiratete seine Witwe Frieda 1920 den Leutnant Wilhelm Oertmann. So kam das Gebäude mit der Schankwirtschaft in den Besitz der Familie Oertmann. Seitdem heißt es bis heute Haus Oertmann.

Küchenherd im Haus Oertmann

Im März 1945 wurde das Haus durch Kriegseinwirkungen teilweise beschädigt, aber schon 1946 wieder repariert. Im hinteren Teil des Hauses kann man die neuen, etwas helleren Ziegel erkennen. In den 1960er Jahren hat man aus Verkehrsgründen den angebauten Wirtschaftstrakt mit dem Hofgebäude und den Stallungen abgerissen. Heute befindet sich dort der Vorplatz Schwengelpumpe Haus Oertmanndes Hamminkelner Rathhauses. Bei einer Umnummerierung der Häuser in der Gemeinde Hamminkeln bekam das Haus Oertmann 1965 die Adresse Blumenkamper Straße 4.

2004 wurde das Krüppelwalmdach mit neuen Tonpfannen gedeckt. Im Jahr 2008 verstarb die letzte Bewohnerin Klara Oertmann im Alter von 93 Jahren. Ihr Sohn, Friedrich Wilhelm Oertmann, ist nach Tuttlingen in Baden-Württemberg gezogen.
Im Jahr 2010 wurde das Haus Oertmann vom Amt für Denkmalpflege unter Denkmalschutz gestellt. Auch die vier charakteristischen Linden und der schmiedeeiserne Hofzaun gehören zum geschützten Teil des Denkmals.

Nach langem Leerstand kaufte der Architekt Holger Ebbert 2016 das historische Wohngebäude, renovierte es liebevoll und zog zwei Jahre später mit seinem Architekturbüro in das Erdgeschoss ein. In einer erhöhten Upkamer im rechten Gebäudeteil hat Holger Ebbert sein Büro eingerichtet. Unter der Upkamer befindet sich ein niedriger Kriechkeller aus Feldsteinen. Auf der linken Seite im Erdgeschoss ist ein Arbeitszimmer für die Mitarbeiter eingerichtet.
Viele bauhistorische Elemente wie die charmanten Sprossenfenster mit den Einglasscheiben, die alten Türen, der Blausteinboden im 3,35 m hohen Eingangsbereich mit der Kölner Decke, sowie die Majolika-Fliesen in der ehemaligen Küche sind erhalten geblieben. Auch den alten Küchenofen aus dem 19. Jahrhundert hat der neue Besitzer blank poliert und für die Nachwelt erhalten.

Provinzial-FeuerversicherungsanstaltIm Obergeschoss des geschichtsträchtigen Hauses sind zwei Mietwohnungen entstanden, die über einen Eingang im Hof zugänglich sind. Im Giebel über dem Obergeschoss ist eine mit grünen Läden verschlossene Öffnung zum Dachboden. An der Hinterseite des Wohnhauses befindet sich noch die originale Handpumpe, mit der sich die Bewohner mit Trinkwasser versorgten. Im Hinterhof stehen einige historische Gegenstände aus der Landwirtschaft.

Ein altes Emailleschild der Provinzial-Feuer-Versicherungsanstalt aus den 1930er Jahren mit einem preußischen Hoheitsadler hängt an der Vorderseite des Hauses. Vermutlich hat die Familie Oertmann auch eine Versicherungsagentur betrieben.

Das denkmalgeschützte Haus Oertmann ist eines der letzten originalen Gebäude aus der Zeit des bäuerlichen Lebens im ländlichen Dorf Hamminkeln.

Urkunde aus dem Hypothekenbuch des Amtes Ringenberg vom 24. Februar 1780.

Urkunde Haus Bovenkerk

Übersetzung

1. Herrschaftlichen Ringenberger Zehenten [...]a
2. von allem Beschwer, Versatz und Bekümmerung [...,]
3. so wie diese weyde von ersteren Biß dahin be-
4. seßen und benutzet worden. Derowegen, und da die
5. Herrschafft auf das derselben Competirende Vernähe-
6. rungs-Recht Vermöge Scheins vom 29ten October 1776
7. Bereits Verzicht gethan hätte, welchen zu des Judicii
8. Legitimation hiermit ad acta übergeben wurde,
9. von Vorbesagter Weyde mit An- und Zubehör, so wie
10. dieselbe cum onere et Commodo von Ihnen Com-
11. parenten biß dahin Beseßen und Benutzet worden,
12. mit Verzicht der Einrede des nicht gezahlt oder
13. nicht empfangenen Kauff-schillings sich und nomine
14. den unmündigen gäntzlich enterbt, und Entrechtiget,
15. Herrn Anckäuffer und deßen Erben daran
16. bestens und Am Beständigsten Beerbt und Be[ve]stiget,b
17. auf wehr- und warschafft wie zu geschehen Erb-
18. rechtens unter Verband ihrer Haab und Güter
19. für so viel dazu nöthig, nebst Getreülicher Extradition
20. der darab Vorhandenen Baarschafften angelobet
21. haben. Uhrkundlich des Judicii unterschrifft
22. und beygesetztem Gerichtlichen Insiegul. So geschehen
23. Wesel in Judicio Hamminckelensi den 24. Februar
24. 1780.c
25. [Unterschrift] Pagenstecher.
26. [Unterschrift] Herbert
27. Secretarius Judi[cii]d
28. Eingetragen eodem dem Ringenbergschen
29. Hypothekquen-Buch sub folio 113 numero 55.
30. [Unterschrift] Herbert
31. Secretarius manu propria

a  Rechter Rand beschädigt, ebenso in der nächsten Zeile.
b  Falz im Papier, zwei Buchstaben unleserlich.
c  Darunter ein unleserliches Siegel.
d  Rechter Rand beschädigt.

Lateinische bzw. altdeutsche Begriffe:

ad acta ---> zu den Akten
cum onere et Commodo ---> mit allen Vorrechten und Belastungen
Comparenten ---> der Erschienene, die Anwesenden
Competirende ---> zustehende
Insiegul ---> Siegel
Judicii ---> des Gerichtes
Judico ---> dem Gericht
manu propria ---> mit eigener Hand, eigenhändig
nomine ---> Namen, namens, unter dem Namen
Secretarius ---> Sekretär
sub folio ---> Unterblatt

Extradition ---> Auslieferung
Kauffschilling ---> Kaufpreis
Vernäherungsrecht ---> Vorkaufsrecht, Familieneinstandsrecht

Abschrift der Denkmalbeschreibung der Stadt Hamminkeln

Liste der Baudenkmäler
Lfd. Nr. 53

Objekt: Wohnhaus, Blumenkamper Straße 4, 46499 Hamminkeln
Lage: Gemarkung Hamminkeln, Flur 22, Flurstück 549
Eigentümer: Friedrich Wilhelm Oertmann, Schützenstraße 52/1, 78532 Tuttlingen

Beschreibung des Baudenkmals:

Erbaut 1780: Landwirtschaft, Gastwirtschaft und Schnapsbrennerei.
Am 18.03.1945 wird der Wirtschaftstrakt durch Bomben zerstört.
1946 Wiederaufbau.
1965 Abbruch des in Verlängerung des Mittelhauses nach links gelegenen Wirtschaftstraktes. Abbruch der Scheune im Bereich des heutigen Rathauses.

In städtebaulich bedeutsamer Lage im Zentrum von Hamminkeln dem Straßenverlauf angeglichen – und daher auf rechtwinkligem Grundriss als „Quasi-T-Haus“ in Backstein errichtetes, steinsichtig belassenes, zweigeschossiges, heute auf Kopfbau und Mittelhaus reduziertes Wohn-Stallhaus mit tonpfannengedecktem Krüppelwalsdach. Der am Giebel zwei-, an der Traufseite im Erdgeschoss fünf- im Obergeschoss vierachsige, im hinteren Teil nach Kriegsbeschädigung erneuerte Kopfbau wird durch den Eingang in der rechten Achse des im Erdgeschoss vier-, im Obergeschoss dreiachsigen Mittelhauses erschlossen. Eisenanker in Deckenhöhe; aufwändiges, verputztes, mehrfach getrepptes Ortgang- und über die Ecken verkröpftes Traufgesims; im Giebel querrechteckige, mit Läden verschlossene Öffnung zum Dachraum.
In der rechten Hälfte des Kopfbaus gelegenen Opkammer sind die alten einflügeligen Schiebefenster mit Oberlicht und erneuerten Blendläden mit Innenverriegelung erhalten; ansonsten wurden die Fenster als Sprossenfenster, im Erdgeschoss mit Oberlicht und Schlagläden erneuert; jüngere Haustür.
Im Hausinneren ist die ursprüngliche Raumaufteilung weitgehend erhalten: Der Zugang erfolgt über die zentrale, hohe Diele mit den alten Blaustein-Bodenplatten, Kölner Decken und rechts der massiven Brandmauer; dahinter in der Opkammer halbrunde, rundbogige Ofennische, Kölner Decken und Holzdielenboden; darunter, über die gesamte Länge des Kopfbaus fachbogiger Kriechkeller mit dreiseitig mit dreiseitig je einer schmalen Kelleröffnung.
Hinter der Diele findet sich ein kleiner Vorratsraum, hinter diesem die Küche mit alten Majolika-Fliesenboden; die Wohnräume links hinter der Diele mit abgehangenen Decken und Holzdielenböden.
Ältere Sägebaluster-Holztreppe (mit von der Seite zugänglicher Schrankfunktion) nur teilweise zu Wohnzwecken ausgebautes Obergeschoss; Schlafräume mit niedrigen Deckenhöhen und überbreiten Holzdielenböden; über der Diel Speicher mit anschließenden Gesinderäumen; jüngerer Weichholzdachstuhl; die Dacheindeckung wurde um 2004 erneuert.

Zugehörig zum Denkmal sind die (von alters her namensgebenden) vier Linden vor der straßenseitigen Fassade, der alte schmiedeeiserne Hofzaun zur Straße mit dem zweiflügeligen Tor sowie der umgebene Freiraum.

Das eingeschossige Backstein-Pultdachgebäude auf der Nordostecke des Grundstücks ist jüngeren Datums und kein Bestandteil des Denkmals.

Das Gebäude ist bedeutend für:

Für die Geschichte des Menschen, weil es mit seiner frühen originalen, zwar reduzierten Substanz dennoch in anschaulicher Weise die Lebens-, Arbeits- und Wohnformen im ländlichen Bereich dokumentiert.
Für die Orts- und Siedlungsgeschichte Hamminkelns, weil es als Rest einer ursprünglichen mehrteiligen Hofanlage und eines der letzten erhaltenen historischen Bauwerke im Ortskern durch seine historische Lage, unmittelbar an der Straße (flankiert von weiter zurückliegender, ausschließlich neuer Bebauung), den historischen Straßenraum markiert und mit seiner Kubatur und seinen Proportionen in städtebaulicher Hinsicht eine maßstabbildende Größe darstellt.
Für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse, weil es als anschaulicher Kern einer regionaltypischen Hofanlage, der durch sein Erscheinungsbild durchaus auf die ursprüngliche Gesamtanlage schließen lässt, sowohl den Typ wie auch die Dimension und Organisation einer landwirtschaftlichen Produktionsstätte ihrer frühen Entstehungszeit dokumentiert.

Für die Erhaltung und Nutzung des Gebäudes liegen:

Wissenschaftliche Gründe:

Die Hofanlage steht voll in der Tradition des sog. "T-Hauses" und zeigt die zeittypische Ausformung der regionalen Bauernhausarchitektur des 18. Jahrhundert.
Hier vorhandene bauhistorische Elemente, wie z.B. die Grundrissgestaltung der ursprünglichen Anlage und ihre nutzungsbedingte Ausdehnung im Zusammenhang mit dem speziellen Gehöfttyp des Einhauses sowie hier vorhandene bauhistorische Elemente, wie z.B. die Opkammer mit dem darunter liegenden Kriechkeller, die repräsentative Ausgestaltung des zentralen Herdraumes (Diele), der Bodenbelag der Küche sowie die originalen Schiebefenster in der Opkammer sind aufgrund ihres Alters und ihrer Seltenheit, für die volkskundliche und architekturgeschichtliche Forschung und Lehre äußerst wertvoll und unverzichtbar.
Der beigefügte Lageplan mit der Darstellung der Grenzen und Einzelelemente des Denkmals ist Bestand der Beschreibung.

Hamminkeln, 7. April 2010

Lageplan Haus Oertmann

Koordinaten Haus Oertmann: N 6° 35′ 24″ − E 51° 43′ 50″

Übersichtsplan vom Ortskern Hamminkeln im Jahr 1956

Hamminkeln 1956

1956 hieß die heutige Blumenkamper Straße noch Weseler Straße

Letzte Aktualisierung: 12. Januar 2023

 

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