Bildungs- und Sozialpolitik in Schweden

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Ein Gegengewicht zur starken Stellung des Staates stellt die ausgebaute Gemeindeautonomie dar. Nach zwei Gebietsreformen in den fünfziger und siebziger Jahren ist Schweden heute in 24 Provinzen (län) und 280 Kommunen gegliedert. Der überwiegend dünnen Besiedlung des Landes entsprechend sind auch die zusammengelegten Kommunen meist überschaubar. Zentrales kommunales Organ ist ein demokratisch gewählter Gemeinderat, welcher weitere örtliche Organe wählt. Der jeweilige Ausschussvorsitzende gehört dem Gemeinderat an, die übrigen Mitglieder (mindestens sieben) repräsentieren Sachverstand und Interessen. Während für das Gesundheitswesen die Ebene der Provinzen zentral ist, liegt die Entscheidungskompetenz in Angelegenheiten des Bildungswesens, der Sozialhilfe und der Sozialen Dienste für Kinder, Familien und alte Menschen auf der kommunalen Ebene.
Maßgeblich sind einschlägige Gesetze sowie Richtlinien der zuständigen Reichsämter, doch ist der Entscheidungsspielraum hinsichtlich des Ausbaus der Einrichtungen nur wenig eingeschränkt. Typischerweise erfolgt die Finanzierung der Einrichtungen stets gleichzeitig aus zentralen wie auch aus kommunalen Mitteln. Den Kommunen steht ein eigenes Steuererhebungsrecht zu. Seit den 1980er Jahren neigt der Zentralstaat dazu, unter den wachsenden Budgetrestriktionen seine Finanzierungsbeiträge zu reduzieren, wenngleich immer noch ein gewisser Finanzausgleich zwischen den reichen und den meist im Norden gelegenen armen Gemeinden stattfindet. Für Kindergärten, Altenpflege u. ä. werden zudem (meist bescheidene) Kostenbeiträge seitens der Adressaten erhoben. Demzufolge ist das lokale Angebot an Schulen und sozialen Einrichtungen recht unterschiedlich, was angesichts der extremen regionalen Unterschiede zwischen den dicht besiedelten Industrie- und Dienstleistungsregionen des Südens und den bevölkerungsleeren Gebieten des Nordens in etwa plausibel ist. Zentralstaatliche Angleichungsabsichten, die sich in jüngerer Zeit insbesondere auf den Ausbau von Einrichtungen für Vorschulkinder und alte Menschen bezogen haben, stoßen aber auch an politische Grenzen. Gegen diese kommunale Autonomie, die einer nahezu monopolistischen Steuerung des Angebots gleichkommt, kommen auch private Angebote nur bei entsprechender politischer Unterstützung an. Freigemeinnützige Träger der Wohlfahrtspflege gibt es in Schweden kaum und auch privatwirtschaftliche Angebote, die sich auf die wohlhabenden Gebiete der Städte konzentrieren, haben bisher nur bescheidenen Erfolg. Andererseits lässt die Überschaubarkeit der kommunalen Verhältnisse erwarten, dass die kommunalen Entscheidungen an den artikulierten Bedürfnissen der Bevölkerung nicht allzu weit vorbeigehen. Das hilft allerdings den Schwächsten wenig. Im Zuge der jüngsten Deregulierungsmaßnahmen sollen auch im sozialen Bereich private Anbieter gleiche Chancen erhalten, doch erscheint deren Akzeptanz bisher als gering.
Was die Sozialhilfe betrifft, so beruhte sie bis 1982 auf einem Gesetz von 1955, das den Gestaltungs- und Ermessensspielraum der örtlichen Behörden weit fasste, auch hinsichtlich der Normen von Bedürftigkeit. So hat beispielsweise die Stadt Stockholm schon 1970 eine Unterstützung für Erwerbstätige eingeführt, deren Lohn unterhalb des Existenzminimums bleibt, und zahlreiche Kommunen sind ihr darin gefolgt. Das Gesetz von 1982 hat diesen Spielraum eingeschränkt, doch erscheint der Ermessensspielraum der lokalen Behörden und ihres Personals nach wie vor erheblich. Insgesamt ist der Anteil an den Sozialhilfeausgaben nicht so stark zurückgegangen, wie es der Ausbau der vorgelagerten Systeme erwarten ließe. Angesichts der hohen Sicherungsstandards der Alten und auch der Alleinerziehenden rekrutiert sich die Klientel der Sozialhilfe überwiegend aus jüngeren Erwachsenen, die aus verschiedenen Gründen in Not geraten sind und vornehmlich kurzzeitig unterstützt werden.
Das Bildungswesen hat in Schweden eine alte Tradition, die nach der Reformation auch breitenwirksam wurde. Bereits um 1800 erhielt etwa die Hälfte der Kinder eine gewisse Bildung, vornehmlich seitens der Kirche. 1842 wurde die allgemeine Schulpflicht und ein staatliches Volksschulwesen durch Gesetz eingeführt und eine staatliche Lehrerbildungsstätte geschaffen. Das Bildungswesen entwickelte sich in der Folge nach kontinentaleuropäischen Standards bis nach dem 2. Weltkrieg. Zu den sozialdemokratisch inspirierten Nachkriegsreformen gehörte der Vorschlag einer neunjährigen Einheitsschule vom 7. bis zum 16. Lebensjahr. Da der Vorschlag auf heftigen Widerstand seitens der Universitäten und der Gymnasien stieß, wurde das neue Schulsystem ab 1950 zunächst für zehn Jahre als nicht flächendeckendes Experiment mit mehreren Varianten eingeführt und evaluiert. Das Schulgesetz von 1962 schrieb sodann die Einheitsschule und eine neunjährige Schulpflicht fest, und bis 1969 waren alle kommunalen Schulbezirke reorganisiert.
Während Mitte der sechziger Jahre in Deutschland der Anteil der öffentlichen Ausgaben für die Bildung und Ausbildung noch bei rund 3 Prozent vom Bruttosozialprodukt lag, gab Schweden bereits 6,8 Prozent für das Bildungswesen aus.
Die Schulpflicht beginnt in Schweden mit dem siebten Lebensjahr, jedoch haben die Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder in dem Jahr anzumelden, in dem diese das sechste Lebensjahr vollenden. Ab dem 1. Januar 1998 wurde die Vorschulklasse für Sechsjährige eingeführt. Die Teilnahme ist für die Kinder freiwillig. Die Vorschulklasse muss mindestens 525 Stunden umfassen und allen Sechsjährigen angeboten werden. Schülern mit Lernschwierigkeiten wird Förderunterricht bzw. Spezialunterricht durch besonders ausgebildete Lehrer angeboten.
In Schweden machen die Schüler sehr viel selbst und übernehmen Verantwortung für ihren Unterricht. Am Montag wird der Wochenplan festgelegt. Die Schüler planen die Stunden selbst. Sie müssen darauf achten, dass alle Themen untergebracht werden. Der Lehrer hilft ihnen dabei. Die Schule schreibt vor, was die Kinder in der Klasse lernen sollen. Auf welche Art und Weise sie das tun wollen, entscheiden die Schüler selbst. Durch die Gruppenarbeit wird es im Klassenzimmer manchmal etwas laut und unruhig. Die Schüler sind das gewöhnt und stören sich nicht daran.
Während ursprünglich daran gedacht war, einen erheblichen Teil der Schüler nach Abschluss der 9. Klasse ins Arbeitsleben zu entlassen, verbreitete sich die Teilnahme an der 1971 reformierten Gymnasialstufe (1o. bis 12. Schuljahr) schnell, und ab 198o wurden je nach Berufsziel gegliederte Weiterbildungsmöglichkeiten für grundsätzlich alle Jugendlichen eingeführt. Seit 1994 gibt es ein in 16 Programme (davon 14 berufsvorbereitend) gegliedertes dreijähriges Schulsystem für die 16 bis 19Jährigen, das von 98% der Jugendlichen frequentiert wird. 30 bis 35 % eines Jahrgangs besuchen anschließend eine Hochschule.
Neben dieser flächendeckenden, unentgeltlichen Primärausbildung zeichnet sich Schweden durch ein vielfältiges Bildungsangebot für Erwachsene aus. Kommunale Volkshochschulen, Abendgymnasien und spezielle Angebote für Schreibunkundige, ein breites frei gemeinnütziges Bildungsangebot, das insbesondere auf Initiativen aus dem Bereich der Arbeiterbildung, religiöser Gemeinschaften und der Anti-Alkoholismusbewegung zurückgeht, und schließlich ein aufwendiges Angebot an beruflichen Fortbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten, die teils vom Staat, teils von den Tarifpartnern angeboten werden. Die letztgenannten Angebote sind Elemente der aktiven Arbeitsmarktpolitik, für die rund ein Zehntel des gesamten Bildungsbudgets eingesetzt wird. Allerdings erscheint die Bereitschaft zur Höherqualifizierung in jüngster Zeit rückläufig. Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass die hohen Grenzsteuerbelastungen keine genügende Prämie auf eine erhöhte Qualifikation mehr in Aussicht stellten. Die Aufwendungen für Bildungszwecke erreichen ca. 7% des Volkseinkommens und werden zu etwa gleichen Teilen vom Zentralstaat und von den Kommunen getragen. Es wird geschätzt, dass rund 40% der Bevölkerung in irgendeiner Weise gleichzeitig am Bildungssystem partizipieren. Schweden gehört mit den übrigen skandinavischen Staaten und Kanada zu den Ländern mit den höchsten Bildungsanstrengungen der Welt.

Sinkendes Schulniveau durch Zuwanderung

Laut einer Pisa-Studie sinkt in Schweden seit 2006 das schulische Niveau immer weiter ab. Jetzt haben die Behörden auch eine Ursache dafür gefunden. Demnach trägt die Schuld dafür die wachsende Zuwanderung von Migranten. Der Niveauabfall von bis zu 85 Prozent sei damit zu erklären, dass der Anteil ankommender Schüler über dem Einschulungsalter steigt. Im Zeitraum von 2006 bis 2012 stieg das Durchschnittsalter der ankommenden Minderjährigen von sieben auf neun Jahre. Somit haben immer mehr Schüler wesentlich weniger Zeit zum Aufholen. Zudem stammen die Kinder, die nach dem Einschulungsalter nach Schweden kommen überwiegend aus Ländern mit schwachen Schulsystemen. Wir brauchen neue Lehrer sowie Dolmetscher, erklärte die Bildungsbehörde.

In allen Ländern, die in der Pisa-Studie einbezogen wurden, erzielten die Schüler mit Migrationshintergrund eine geringere Leistungen als jene ohne Migrationshintergrund.

 

Mindestunterrichtszeit in den neun Jahren der Grundschule

Fach Stunden
Basisfächer:  
Schwedisch 1490
Englisch 480
Mathematik 900

Praktisch/ästhetische Fächer:

 
Bildkunst 230
Hauswirtschaftslehre 118
Sport/Gesundheitserziehung 500
Musik 230
Werken 330

Gesellschaftswissenschaftliche Fächer:

 

Geographie, Geschichte, Religion, Gemeinschaftskunde

885

Naturwissenschaftliche Fächer:

 
Biologie, Physik, Chemie, Technik 800
Fremdsprachen 320
Wahlpflichtfach des Schülers 382

Insgesamt

6665
Davon Wahlfach der Schule (örtlich bestimmt) 600

Weiterführende Links:

Skolverket

Schwedischer Schulverein e.V. Stuttgart

 

 

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