Die Schweden werden immer größer und schwerer. Was viele schon lange ahnten, ist
nun empirisch nachgewiesen. Die Bekleidungsindustrie hat in den vergangenen
Monaten die Körper von rund 4.000 Schwedinnen und Schweden vermessen lassen, um
die Durchschnittsgrößen ihrer Kunden zu ermitteln. Jetzt muss die Produktion auf
die neuen Maße der Kunden eingestellt werden. Für die Hersteller in der Bekleidungsindustrie in Schweden gestaltete sich die
Produktion bislang recht einfach. Viele Jahrzehnte lang waren die Schweden ein
nahezu homogenes Volk. Ein Mantel, Größe 44, passte sowohl dem Grubenarbeiter in
Kiruna als auch dem Landwirt im südschwedischen Karlskrona. Doch damit ist es
inzwischen vorbei. Die Bekleidungsindustrie steht vor neuen Herausforderungen,
sagt Håkan Damberg vom Produktforschungsinstitut IFP Research in Stockholm: "Für
die großen Bekleidungshersteller ist es enorm wichtig, die Maße ihrer Kunden zu
kennen."
Schwieriges Kaufen
Und das ist immer weniger der Fall. Marina Johansson aus Stockholm bringt der
samstägliche Einkaufsbummel durch die Läden und Galerien der
Hauptstadt
regelmäßig an den Rand der Verzweiflung: "Bei den gewöhnlichen Damengrößen
findet man fast nichts. Es scheint, als hätten die meisten Frauen Größe 42 oder
44. Es sieht so aus, als ob die Hersteller nicht wüssten, wie ihre Kunden
aussehen." Die böse Ahnung der Kundin hat sich nun bestätigt. In den vergangenen Jahren
haben sich die Durchschnittmaße der Einwohner Schwedens markant verändert. Zu
diesem Ergebnis kommt eine breit angelegte Untersuchung, an der rund 4.000
Männer und Frauen teilgenommen haben. Sie alle ließen ihre Körper von einem
Computer einscannen. Das Ergebnis dieser umfangreichen Datensammlung sei nicht überraschend, meint
Produktforscher Håkan Damberg: "Nun ist erwiesen, was wir alle schon seit langem
geglaubt haben. Die Menschen sind größer und wiegen mehr als früher. Die bisher
angewandten Maßtabellen müssen also angepasst werden."
Länger und schwerer
Im Schnitt sind Schwedens Frauen drei Zentimeter größer und vier Kilogramm
schwerer geworden. Bei den Männern sind die Veränderungen noch deutlicher. Sie
sind heute im Vergleich zu früher fünf Zentimeter länger und fünf Kilogramm
schwerer. Geänderte Lebensumstände, aber auch die Zuwanderung aus anderen
Erdteilen haben zu den neuen Maßen geführt. Nun muss die Industrie diesen Veränderungen bei der Produktion Rechnung tragen,
erklärt Produktforscher Håkan Damberg: "Wenn die Kundengruppe an Größe und
Gewicht zunimmt, sollte man dieser Entwicklung allein schon aus psychologischen
Gründen Rechnung tragen und die Kleidergrößen anpassen. Eine 38 sollte stets
eine 38 sein, dann ist der Kunde zufrieden."
Möbel und Fahrzeuge
Die schwedischen Berechnungen sollen nun die Grundlage einer gesamteuropäischen
Neuvermessung der Kunden sein. Dabei sind die Daten nicht nur für die
Bekleidungsindustrie von Belang. Auch Möbel- oder Fahrzeughersteller sind nun
gehalten, ihre Produkte Otto Normalverbraucher anzupassen - und zwar möglichst
so, dass es die Kunden nicht merken.
Text: Alexander Schmidt-Hirschfelder 21.11.2006
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