Das Schlossgebiet von Drottningholm auf der
Mälarinsel Lovön ist eine außerordentlich gut erhaltene Schlossanlage aus dem
17. und 18. Jahrhundert, gebaut nach französischen Vorbildern. Die Königsfamilie
wohnt nicht mehr in ihrem Stadtschloss, sondern auf Drottningholm, am Rande von
Stockholm. Seit 1982 bewohnen sie 22 der 220 Zimmer von Drottningholm. Für die
drei kleinen Kinder gab es im Schlosspark direkt am Mälarsee besondere
Bedingungen zum Aufwachsen. Ein Teil des Parks und Schlosses steht Besuchern
offen. Das prachtvolle Treppenhaus allein nimmt ein Drittel des Barockschlosses ein,
während sich die Bibliothek mehr am Rokoko orientiert.
1661 baute sich Hedvig Elenora, Witwe von Karl X., ihr Schloss im großen Stil.
Hofarchitekten waren Nicodemus Tessin der Ältere, dann der Jüngere. Beide hatten
ihr Handwerk in Frankreich und Italien gelernt. Drottningholm war als
Lustschloss geplant, aber zu dieser Lust gehört offenbar auch die Inszenierung
des Königtums und das Gedenken an die Heldentaten der schwedischen Könige.
Hedvig Eleonora richtete ihrem Mann und ihrem Sohn Gedenkgalerien ein. Johan
Phillip Lemke, auf Schlachtenmalerei spezialisiert, dokumentierte den Krieg
gegen Dänemark. Die Bilder und Texte waren mehr als private Erinnerung. Sie
dokumentieren den Anspruch der Regenten und ihrer Familie auf den Thron.
Visuelles Pflichtprogramm für jeden Besucher ist Hedwig Eleonoras Audienzzimmer.
Was jeder sehen kann, ist dass sie einen Hofmaler von europäischem Rang hatte.
1744 hatte die Insel der Königinnen wieder eine aktive Herrin – Luise Ulrika,
Schwester Friedrich des Großen. Sie interessierte sich besonders für
Philosophie, aber auch für Literatur und die Wissenschaften. Sie las sehr viel
und stand im Briefwechsel mit Gleichgesinnten. Sie verbrachte viel Zeit mit
ihrer Bibliothek. Nicht weit von der Bibliothek befindet sich das Schlafgemach
der Königin. Drottningholm war ihr Schloss – das Hochzeitsgeschenk von König
Adolf Fredrik. Für Drottningholm verausgabte Luise Ulrika sich fast bis zum Ruin.
Sie erweiterte und veränderte das Schloss im Geiste des Rokoko, baute das
Chinaschlösschen – eine Kulisse des Geistes und eine exotische Vision. Die
dekorativen Kästchen und Vasen mit bunten Lackarbeiten, die pittoresken
Landschaftsdarstellungen kamen gerade recht, für diese neue Inszenierung. Im
Chinaschlösschen verbrachte die Königsfamilie die Sommertage, frei von steifen
Etiketten. Hier trank die Königin mit ihrem Hof Tee, spielte, stickte und
musizierte. In einem der Pavillons hatte der König seine Schreinerwerkstatt. Königin Luise Ulrika hatte noch eine zweite Leidenschaft. Sie liebte die Künste,
vor allem das Theater. Der ganze Hof spielte mit, allen voran ihre Kinder. Nach
vielen improvisatorischen Auftritten reisender Ensembles ließ Königin Louise
Ulrike den Architekten des Chinaschlösschens, Carl Fredrik Adelkranz, ein
richtiges Theater erbauen. 1767 wurde es eröffnet. Außen schmucklos, nüchtern,
ein Vorläufer des Klassizismus, innen verspielt aus Holz und Pappmaschinen. Das
Drama spielte auf der Bühne und darunter. Die Bühnenmaschinerie war damals eine
Sensation und ist es noch immer. Bei einem Szenenwechsel werden die seitlich
gestaffelten Kulissen von der Unterbühne aus über einen komplizierten
Holzmechanismus mit Rädern, Wagen und Seilzügen ausgetauscht. Auch die
Dekoration der Decken und des Hintergrundes schweben in Sekunden herein. Eine barocke Illusionsbühne, wie sie damals üblich
war. König Gustav III. schrieb die Texte für die Opernaufführungen. Gustav III. folgte den Spuren seiner Mutter auf seine Weise. Kaum hatte er
Drottningholm übernommen, da stellte auch er schon wieder viele Sachen auf den
Kopf. Aus Rokoko oder Klassizismus und das barocke Gartenideal war nun ade. Ein
romantischer, englischer Park wurde angelegt – zunächst vom König selbst
geplant, mit Seen und Kanälen, frei angelegten Wegen, Winkeln und Durchblicken,
mit Baumgrüppchen und Statuen. Das besondere an Drottningholm, der barocke
Garten, wurde zwar vernachlässigt, aber nicht durch den Park ersetzt. Formaler
und englischer Garten führen bis heute eine friedliche Koexistenz.
Nicht nur den Garten, auch die Bühne löste Gustav III. aus der normalen
Tradition Frankreichs. Er forderte die Entwicklung eines schwedischsprachigen
Theaters. Drottningholm war um 1780 der kulturelle Mittelpunkt Schwedens und
Schweden war durchaus nicht die Hinterbühne Europas. Gustav III. war ein
Theatermensch, Schauspieler und Stückeschreiber mit tragischer Pointe,
bühnenreifem Abgang - ermordet beim Maskenball, vertont von Verdi. Der Mord nahm
Drottningholm seinen Prinzipal – das Theater hatte ausgespielt. Das Drottningholm Hoftheater liegt wunderschön in Drottningholms königlichem
Park. Der Theatersalon ist seit seiner Fertigstellung im Jahr 1766 unverändert
geblieben. Seit das Theater in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts wieder belebt
wurde, ist es genauso begehrt wie früher. 30 Dekorationen sind noch erhalten,
gespielt wird heute aber mit Kopien. Für Ingmar Bergmans legendäre Zauberflöte
wurde sogar der ganze Bühnenraum nachgebaut. Es wird von Mai bis September
gespielt. Wollte man die Möglichkeiten der alten Bühnentechnik voll ausnutzen,
bräuchte man 42 Bühnenarbeiter. Wer noch einen Platz ergattern will, sollte sich
bei Zeiten um Eintrittskarten bemühen. Vielleicht ist ja auch das Königspaar
anwesend, für das immer 2 Stühle in der ersten Reihe reserviert sind. Schloss Drottningholm wurde 1991 als erstes schwedisches Kulturdenkmal in die
Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen, und zwar aufgrund zweier
spezieller Gebäude, des chinesischen Schlösschens (Kina slott) und des
Drottningholmtheaters (Drottningholms slottsteater).
Begründung des Welterbekomitees:
Die Schlossanlage von Drottningholm — mit
Schloss, Theater, China Schlösschen und dem Schlosspark — ist das besterhaltene
Beispiel eines königlichen Schlosses, das im 18. Jahrhundert in Schweden erbaut
wurde, und das gleichzeitig repräsentativ für die gesamte europäische königliche
Architektur dieser Zeit ist. Vorbild und Inspirationsquelle ist Versailles gewesen.
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