Schweden ist ein Land des Holzes. Über die Hälfte des Landes ist mit Bäumen
bewachsen. Auf jeden Einwohner kommen 2,8 ha Wald (in Deutschland sind es
0,1 ha). Der schwedische Wald besteht im hauptsächlich aus Kiefern, Fichten
und Birken - aber insgesamt gibt es in Schweden auch mehr als 20 Baumarten. Der älteste Baum der Welt ist ein Schwede, eine Fichte mit dem
Namen "Old Tjikko". Ihr Alter wird auf über 9550 Jahre geschätzt. Wenn ein Junge geboren war,
so ein alter Brauch, sägte der Vater einigen Bäumen, meist Kiefern, die
Kronen ab. In den zwei bis drei Jahrzehnten, bis der Sohn heiratete und
Bauholz für sein Haus benötigte, konservierte sich der gekappte Stamm von
selbst: Das Harz trieb in ihm nach oben; die Bretter, zu denen er
zerschnitten wurde, waren also nahezu frei von harzigen Stellen. Solches Holz hatte noch weitere Vorteile: Es eignete sich
ganz vorzüglich zur Herstellung von Möbeln, auf die man sich setzen und
legen konnte – ohne harzige Flecke in Hose oder Bettlinnen zu bekommen. In
solchem Holz entstehen auch so gut wie keine Risse mehr. Das ermöglicht, aus
einem einzigen Stück auch große Gegenstände herauszuarbeiten, die man sonst
aus einzelnen Teilen zusammenleimen müsste. Wie anderswo Marmor und Stein, Eisen und edle Metalle, so ist
Holz in diesem Land das tragende Element der überlieferten Kultur — mit dem
ihm eigenen Nachteil: Andernorts haben Erdbeben und barbarische Zerstörungen
immerhin Ruinen hinterlassen; Schwedens Kulturkatastrophen aber waren die
vielen Brände, in denen nicht nur profane Architektur in Asche fiel. Bis heute errichten die Schweden ihre Häuser am liebsten aus
Holz; und ein ängstliches Gemüt, das den Feuerleitern allein nicht traut,
wird womöglich mit einem Abseiltau neben dem Bett im Obergeschoß beruhigt. Wer durch Schwedens Täler reist, hat Wald um sich. Wald nimmt
rund die Hälfte der Landesfläche ein, ist allerdings immer stärker Saurem
Regen ausgesetzt – und der wird nachweislich durch Industrie im Ausland
verursacht. Der meistgenutzte Baum ist die Kiefer. Am vielseitigsten aber
verwendeten die alten Schweden die Birke. Aus ihren dünnen Ästen flochten
sie Körbe; aus der Rinde stellten sie sogar Kleidungsstücke her. In
Hungersnöten wurde Birkenrinde auch in den Brotteig gemischt. Heute noch
wird sie, stark Wasser abweisend, zum decken von Hütten benutzt. Schließlich:
Noch immer ist Birke bevorzugtes Brennholz. Kunstvoll geschnitzt sind selbstverständlich auch die
hölzernen Grabmäler an den Stabkirchen; und als man sich Grabsteine leistete,
wurden die nach den alten Formen und Mustern der Holzbearbeitung behauen —
als wäre der Stein ebenfalls Holz. Zeichen, die an Runenschrift erinnern,
erhielt der Kalenderstab: kleine Kerben für Wochen-, größere für Sonntage,
die Vorderseite war für den Sommer, die Rückseite für den Winter bestimmt.
Die Motive der Schnitzereien, die viele Gebrauchs- zu Kunstgegenständen
machen, sind seit Generationen in langen Wintern eingeübt worden.
Die Vorteile, die Holz im rauen Klima bietet, kamen in den
Blockhäusern zur Lagerung von Lebensmitteln beispielhaft zur Geltung:
Pökelschinken und Fladenbrot halten sich in der natürlichen Durchlüftung
jahrelang. Diese Häuser standen auf Stelzen, die Mäuse, die trotzdem
eindrangen, mussten sich vor einer Falle aus Holz hüten, die ähnlich
raffiniert konstruiert war wie das hölzerne Schloss: Zog man den Schlüssel
heraus, fielen Zapfen in eine Reihe von Kerben. In der Mausefalle genügte
ein Stups, und ein Klotz schlug nieder. In Holzfässern wurde der Trinkwasservorrat aufbewahrt;
kupferne Bottiche konnten sich nur Großgrundbesitzer leisten. Doch auch Holz
war Ausweis von Reichtum: Je dicker die Balken an den Decken, desto größer
waren der Waldbesitz des Bauern und sein Wohlstand. Ein beliebter
Wandschmuck ist auch noch in modernen Wohnungen das Mangelbrett, das man
früher zum Wäschebügeln nahm, mit Schnitzereien geschmückt, versteht sich,
und versehen mit einem Handgriff zur Bedienung an der Kaltmangel. Auf alten Höfen, in Museen, in den Schaukästen moderner
Möbelfirmen ist allenthalben die Vielfalt der Produkte aus Holz zu
besichtigen. Höchste Bewunderung aber erregt der Sakralbau in Holz: die
Stabkirche. Von einst wahrscheinlich 1000 sind vielleicht 30 in Skandinavien
übrig geblieben, manche davon allerdings umgebaut und verschalt und aus
diesem Grund kaum noch als Stabkirche erkennbar. Während die Blockhäuser aus
waagerecht liegenden Balken bestehen, ist das Konstruktionselement der
Stabkirche der senkrecht gestellte stav, der Stab oder Ständer.
Zwischenräume wurden mit Planken geschlossen, die steilen Dächer mit
Holzschindeln gedeckt. Die ältesten dieser Kirchen entstanden Anfang des 11.
Jahrhunderts, in der Endzeit der Wikinger. Bei Sturm ächzt und knarrt die Stabkirche in allen Fugen. Sie
scheint sich im Wind zu wiegen. In ihrer elastischen Statik erlaubt sie den
Vergleich mit dem Wikingerschiff – und das ist unter Kennern noch immer das
Nonplusultra der skandinavischen Holzbautechnik und Holzbaukunst.
Das älteste schwedische Holzhaus steht in Småland
Geologen der Universität Lund haben ein altes Holzhaus in Ingatorp mittels
der C14-Methode untersucht und kamen zu dem Ergebnis, dass es aus dem Jahr 1229
stammt – plus/minus zehn Jahre. Damit wäre es das älteste erhaltene Holzhaus
Schwedens. Bei dem Gebäude handelt es sich um eine Zehntscheune, die etwa sieben
Meter hoch und – klassisch schwedisch – rot gestrichen ist. Auch heute noch
gehört es zu einem Pfarrhof, der am Ufer des Ingatorpasees liegt. Ingatorp
befindet sich nur wenig östlich von Eksjö, einer Stadt, die seit jeher für ihre
historischen Holzbauten bekannt ist. In der historischen Altstadt von Eksjö gibt
es beispielsweise viele unter Denkmalschutz stehende Gebäudekomplexe, an denen
sich eine 400 Jahre lange Baugeschichte in Holz ablesen lässt.
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