Man würde an dem Hause in der
Rademachergatan 50 in Eskilstuna vorbeigehen und nicht vermuten, dass es ein
zwar kleines, aber außerordentlich interessantes Museum enthält, wenn nicht eine
Tafel davon künden würde, dass der aus dem Baltikum stammende Reinhold
Rademacher im Jahre 1654 das königliche Privilegium erhalten hat, hier eine
Schmiede aufzustellen. Beigefügt ist eine Verordnung König Karls IX.: „Att en
Handwerckstad här byggies skulle”. Die künftige Bestimmung Eskilstunas war damit
festgelegt, und seine weitere Entwicklung hat gehalten, was der im siebzehnten
Jahrhundert noch sehr gewichtige königliche Wille festgelegt hat. Damals hätte
man noch nicht gewagt, den Landesfürsten in einer übrigens glänzend gelungenen
Karikatur auf der Bühne dem Volke zu zeigen, wie wir es am gleichen Abend in der
Revue im Volksparktheater von Eskilstuna sehen konnten. Nun ja, noch keinem
König ist ein Edelstein aus der Krone gefallen, wenn das Volk einmal von Herzen
über ihn gelacht hat. Wenn man in die Schmiede eintritt, weht einen die Luft des
ausgehenden Mittelalters, aber auch des Beginns der Neuzeit an. Nicht die
verschiedenen Kuriositäten, die da gezeigt werden, sind das Interessante, und
dass der Mann, der die ewige Kette fabriziert hat, zugleich ein Genie und ein
großer Freund des Alkohols war, hat viele Parallelen in der
Geschichte. Man
spürt in diesen Räumen noch etwas von der Atmosphäre, die so unendlich wichtig
für den Aufbau unserer ganzen neueren Kultur gewesen ist: die Gründlichkeit, den
Ernst und die Versenkung in die Arbeit. Man spricht heute so viel von der
Technik und der Wirtschaft, dass es ganz wichtig ist, auf die psychologischen
Wurzeln und die Jahrhunderte lange Tradition hinzuweisen, aus denen die moderne
Industrie gewachsen ist. Der Kopf der Handwerker des siebzehnten Jahrhunderts
war das erste experimentelle Laboratorium der technischen Entwicklung, und in
ihren Fingerspitzen entstand zuerst das Gefühl für Feinheit und Präzision, das
wir heute in Formeln gebannt auf den technischen Hochschulen vortragen lassen.
Es ist ein sehr langsamer und mühevoller Weg gewesen, der von der Schmiede
Rademachers zu den Fabrikhallen von Bolinder-Munktell führte, aber es ist ein
gerader und direkter Weg. Auf drei Säulen ist die schwedische Industrie zu ihrer
heutigen Bedeutung und Weltgeltung aufgestiegen. Die erste war die Güte und
Fülle der Naturschätze, die schon sehr frühzeitig erschlossen wurden, die zweite
war der Sinn für Organisation und eine praktische Intelligenz, die jedem
Fortschritt auf der Welt offen stand, und die dritte ist die Güte und Qualität
des Arbeiterstammes, der sich in Jahrhunderten herausgebildet hat. Das
Selbstbewusstsein der schwedischen Arbeiterklasse ist zweifellos mit ihrem
beruflichen Können und ihrem Berufsstolz aufs engste verbunden. Eine
Arbeiterschaft, der der Aufstieg zur Kultur verwehrt wird, oder die — wie in den
faschistischen Ländern — auf eine Stufe der Unterdrückung und Ausbeutung
herabgedrückt wird, wie man sie kaum im Mittelalter kannte, wird auch früher
oder später im Arbeitsprozess versagen. Noch jede Gesellschaft, die auf
Sklavenschultern ruhte, brach zusammen. Man muss in die schwedischen Fabriken
gehen, wenn man Schweden kennen lernen will. Und man muss die kulturellen
Errungenschaften aus der Nähe betrachten, die sich die Arbeiter in einer
ausgesprochenen Arbeiterstadt, wie es Eskilstuna ist, geschaffen haben. Dreieinhalb Jahrhunderte trennen uns von der Zeit, in der Rademacher seine
Schmiede aufstellte. Noch ist das kleine Zimmerchen erhalten, in dem die
Gesellen nach wohl zwölfstündiger oder noch längerer Arbeitszeit wohnten. Sie
kannten kein privates Leben. Eine Familie konnten sie erst gründen, wenn sie
nach langen Gesellenjahren eine eigene Schmiede aufmachen konnten. Sie hatten
wenig Raum und wenig Luft in diesen engen Zimmern, deren Deckenbalken so tief
herunterreichen, dass man sich am Ausgang bücken muss. Die Fabriksäle der großen
Maschinenfabrik Bolinder-Munktell, die wir am folgenden Tag besuchen, zeigen
schon ein anderes Bild. Hier ist Luft und Raum - aber auch diese Arbeitsstätten
sind noch nicht ideal. Man merkt die allmähliche Entwicklung und Erweiterung der
Fabrik. Mit der Modernisierung der Räume wurde erst bei den Büroräumen
angefangen. Aber
wenn man zugleich rückwärts und vorwärts schaut, werden der Fortschritt und der
kulturelle und soziale Aufstieg deutlich. Noch hat der Aufbauwille der
schwedischen Arbeiter seine schönsten Proben in der Gestaltung der Umwelt,
außerhalb der Fabrik, geliefert. Er wird sich eines Tages auf die
Umorganisierung der Betriebe selbst richten.
Rademachersmedjorna
Rademachergatan
50 632 20 Eskilstuna |
Munktell Museum
Munktellstorget
633 43 Eskilstuna |
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