Nichts ist dem Stockholmer heiliger
als eine Waschzeit (tvättiden). Schwer erkämpft muss die um jeden Preis eingehalten werden.
"Ich hab Waschzeit" zieht in Stockholm als Ausrede immer. Eine Verabredung mit
jemandem, den man nicht leiden kann? - Sorry, ich hab Waschzeit. Ein Meeting in
den Abendstunden? - Geht nicht, ich hab Waschzeit. Da hat jeder Verständnis,
schließlich wollen alle, dass man saubere Unterwäsche anzuziehen hat.
Hintergrund des Ganzen ist, dass in
schwedischen Großstädten und wie fast niemand, der in einer Mietswohnung
wohnt, eine eigene Waschmaschine besitzt. Dahingegen hat jedes Wohnhaus eine
Waschküche mit mehreren Waschmaschinen, Trocknern und Trockenschrank. Für die
Nutzung der Waschküche gibt es ein Schema: Jeder Tag ist in 3-4 feste
Waschzeiten aufgeteilt und man muss sich die Zeit, zu der man waschen will,
buchen. Dazu gibt es mehrere Systeme. In den 1960er Jahren wurde die
Telewäsche (teletvätt) als neue moderne Lösung zur Buchung von Waschzeiten direkt von zu
Hause aus vorgestellt. Die Technologie eliminiert unnötig manuelle
Buchungslisten und reduziert auch Konflikte in den Wäschereien. Zuhause in
der Wohnung gibt es eine Tasterbox mit einer Signallampe, die mit einem Computer
in der Waschküche verbunden ist. Der Rechner prüft sofort, ob eine der
Waschmaschinen frei ist, und wenn ja, zeigen die Signale grünes Licht. Die
bestellte Waschmaschine wird dann für eine passende Anzahl Minuten reserviert,
damit man mit seiner Wäsche dorthin gehen kann. Dieses System funktionierte
allerdings nicht gut, denn oft wurde Wäsche gestohlen und die Leute konnten
sogar gebuchte Automaten starten. Deshalb wurde das Telewäschesystem recht
schnell eingestellt. Heute läuft normalerweise alles elektronisch mit
einem Chip mit dem man sich an einem Gerät die Waschzeit bucht. Die Waschküche
kann man sogar nur zu der gebuchten Waschzeit betreten, denn die Tür dazu öffnet
sich auch nur mit dem Chip. Da sollte man also lieber nicht vergessen, die
Wäsche aus der Maschine zu holen. Ist die Waschzeit vorbei, muss man sonst den
Nachbarn abpassen, der die Zeit danach hat. Da man meist immer nur eine
Waschzeit buchen kann/darf und nicht schon einige im Voraus, ist es je nach Haus
natürlich auch entsprechend schwierig, eine der begehrten 19-Uhr-Zeiten zu
bekommen – und von daher verzeiht es einem jeder, wenn man etwas absagen muss,
weil man eine Waschzeit hat.
|