Auch wenn
viele Urlauber dem Drang nach dem Süden nicht widerstehen können,
entscheiden wir uns für den Norden mit seinen beeindruckenden
Landschaften. Das gilt für ganz Skandinavien, aber besonders für Norwegen, mit seinen phantastischen
Küsten- und Gebirgsstraßen. Eine Fahrt an den tief eingeschnittenen Fjorden entlang,
durch abwechslungsreiche, kontrastreiche Landschaften mit Wasserfällen und
Stavkirker (Stabkirchen), bunten Holzhäusern und tiefen Wäldern, ist ein Erlebnis, das
jeden in seinen Bann zieht. Die
Anreise führt uns über das dänische Jütland, wo die Fährlinie
Fjordline das dänische Hirtshals mit dem norwegischen Stavanger verbindet.
Die Überfahrt dauert knapp 11 Stunden. Aber auch Kristiansand und Egersun (rund 80 km südlich von Stavanger) sind
gute Zielhäfen für die Anreise nach Norwegen. Stavanger,
im Südwesten Norwegens, ist der Ausgangspunkt für unsere Fahrt ins
Fjordland. Die Stadt hat durch die Ausbeutung der Ölfelder vor der Küste
einen ungewöhnlichen Boom erlebt. Dennoch hat das Wachstum den traditionellen Charakter der einstigen Fischerstadt
mit seinen liebvoll restaurierten Altstadthäusern nicht
verwischen können. Sehenswert in Norwegens viertgrößter Stadt (nach Oslo,
Bergen und Trondheim) ist der
mittelalterliche Dom aus dem Jahr 871 und der Kongsgård
gleich nebenan - der mächtige Holzbau der einstigen königlichen Residenz.
Holzbauten herrschen übrigens in ganz Norwegen vor. Von der Höhe des Ullandhaug mit Fernmeldeturm, Aussichtsplattform und Cafe, kann man Stavanger in seiner ganze Ausdehnung und Vielfalt wunderbar überblicken.
Zwei besondere Attraktionen dieser Region sind der im Osten Stavangers gelegene
und bezaubernde Lysefjord,
mit der Felsformation Preikestolen
im Osten Stavangers, dessen wildromantische Schönheit wir bei einem
Schiffsausflug genießen. Der Preikestolen (Predigerkanzel), eine 25 mal 25 Meter große
Plattform, erhebt sich 600 m ü.d.M. wie ein Balkon über den Lysefjord. Wer von
dieser Kanzel predigt, ist dem Himmel am nächsten. Im Lysefjordsentret gibt es gedämpften Lachs und einen Blick durch die
Panoramafenster auf die gewaltige Lysefjordbru. Die Zweite ist vor allem für Kinder
verlockend: Knapp 30 km südlich von Stavanger, an der E 18, wurde 1986 der
Kongeparken eröffnet, einer der größten Freizeitparks des Nordens, der von
kleinen und großen Sensationen nur so wimmelt. So gibt es dort etwa die 80
m lange Gestalt des an den Boden gefesselten Gulliver, in dessen Inneren
allerlei Spielerisches und Abenteuerliches untergebracht ist. Außerdem
findet man den größten Vogelkäfig der Welt und Nordeuropas längste
Bob-Bahn - genug Zerstreuung also, bevor die Fahrt nun richtig losgeht. Nach Norden schneidet schon bald das
Meer, mit dem Skudenesfjord, dem Autofahrer den Weg ab.
Also müssen wir die Küstenfahrt gleich mit einer der für ganz Norwegen typischen
Fährlinien beginnen. Die Überfahrt durch die Schärenidylle nach Haugesund dauert anderthalb Stunden. Von
Haugesund
(31.000 Einwohner), dessen Stolz
das 2 km vom Zentrum entfernte, 1872 errichtete norwegische
Nationaldenkmal Haraldshaugen mit einem 17 m hohen Granitobelisk und 29
Steinen als Symbol für die norwegischen Volksstämme darstellt, verläuft
die Route nach Nordosten weiter. Sie führt durch eine Bilderbuchlandschaft
mit Bergbauernhöfen und einer Kette von Straßentunneln am Åkrafjord entlang.
Dann der Langfoss, ein rechts der Straße steil herabschäumender
Wasserfall, den man am Besten etwa 1 km danach fotografieren kann. Mit
dem Fjordende und dem Ort Fjæra nimmt das Sørdal seinen Anfang. Bald
darauf ist die Steinaberg-Brücke erreicht, wo sich die Straße von
Haugesund gabelt. Rechts geht es über die großartige Gebirgsstrecke des Haukeligebirges nach Telemark und weiter nach Oslo.
Wir fahren jedoch hier nach links und passieren dabei gleich zwei weitere imposante
Wasserfälle, von denen der Låtefossen, einer der wildesten Wasserfälle
Norwegens, eine Fallhöhe von 165 m hat. Erstes
Städtchen an dieser Strecke in Richtung Kinsarvik-Bergen ist Odda, am
südlichen Ende des zum Hardangerfjord zählenden Sorfjords. Der Sorfjord, an dem
wir nun entlangfahren, ist ein Idyll, das schon den Komponisten Edvard
Grieg entzückte. Dicht am heutigen Hotel Ullensvang in Lofthus
steht inmitten von Hardangers Garten, wie man die Landschaft gern nennt, sein Blockhaus, in dem er viele seiner Werke komponierte. 10 km weiter, in Kinsarvik,
führt die nächste Fähre über den Eidfjord in Richtung Bergen. Die Überfahrt, von
der morgens ca. 6.30 bis abends gegen 22.00 Uhr in kurzen
Abständen pendelnden Fähre, dauert 40 Minuten. Auf der Strecke nach Kvanndal passieren
wir das
entzückende Fjorddörfchen Utne mit seinem stattlichen Freilichtmuseum. In
Kvanndal ist man dann endgültig auf der Hauptstrecke zum 130 km
entfernten Bergen. Über Bergpässe und Brücken geht es immer wieder hinauf
und hinunter. Es ist keine ganz bequeme Fahrt, denn einige
Straßenabschnitte sind recht schmal und es gibt viel Gegenverkehr, dazu
geht es ständig bergauf und bergab. Oft wurden wir von Ziegenherden
aufgehalten, die sich nicht von der Straße treiben ließen. Aber die Strecke ist, von Alviks
Industrie abgesehen, sehr schön, und sie führt immer noch am
Hardangerfjord entlang. Auf einer 344 m langen Brücke überquert man den Fykesund, und bei
dem Ort Norheimsund kann man unter dem
Wasserfall Steinsdalsföss hindurchgehen - ein ungewöhnlicher Eindruck.
Die Route verlässt hier den Fjord und verläuft jetzt weiter in Richtung Westen. Auf der Höhe von Kvamskogen durchfahren wir ein Gebiet mit
zahllosen Ferienhütten, wie sie in Norwegen sehr beliebt sind. Die
Einfahrt in die 900 Jahre alte Hansestadt Bergen, mit seinen lang gestreckten Außenbezirken, wirkt fast
endlos. Nach Oslo ist Bergen an der Westküste die zweitgrößte Stadt des
Landes und sicher die Anmutigste. Durch die hohen Berge, direkt an der
Küste, entladen sich häufig tief hängende Wolken und bescheren dem Ort eine
der höchsten Niederschlagsmengen Norwegens. Aber der häufige Regen kann den Charme
Bergens kaum beeinträchtigen. Mit der Bergen Card
kann man kostenlosen Museen und anderen Sehenswürdigkeiten besuchen und
auch das Parken in der Stadt ist kostenlos. Zwei Bergbahnen führen von der Stadt in die
Höhe: zum 320m hohen Fløyfjell, von wo man einen wunderbaren Ausblick auf
den Hafenbereich hat und zum 642m hohen Ulriken, der auch als
Ausgangspunkt für Wanderungen dient. Aber der besondere
Zauber Bergens liegt neben seiner schönen Lage vor allem in den alten
Häusern aus den Zeiten der Hanse und - als Gegenstück aus dem heutigen
Alltag - im morgendlichen Fischmarkt am Torget, auf dem man nicht nur
Fisch sondern auch Obst, Rentierartikel und Andenken kaufen kann. Nirgends ist Norwegens
Kultur lebendiger als in dieser Stadt. Sehenswert sind die Marienkirche aus dem 12. Jahrhundert und Gamle Bergen, ein
Freilichtmuseum mit typischen alten Holzhäusern. Empfehlenswert ist auch
die Stadtrundfahrt mit dem
Bergens
Expressen (mehrsprachig). Nun öffnet
sich für uns das Tor zum westnorwegischen Fjordreich. Nördlich von Bergen ist der größte Fjord
Norwegens,
der Sognefjord. Dazwischen aber
liegen weitere Fjorde, wie der zwar weniger bekannte, aber nicht weniger
schöne Sunnfjord. Die Wassereinschnitte der Fjorde, die bis zu 200 km tief ins
Land hineinreichen, bilden natürlich ein Verkehrshindernis. Man kann sie zeitraubend, aber
sehr eindrucksvoll umfahren. Wir benutzen aber die Fährverbindungen, die hier und da die Fjorde überqueren.
Da diese Fähren über die Fjorde nicht allzu häufig verkehren,
braucht auch das Warten auf die Abfahrt und die Anschlüsse seine Zeit.
Norwegen ist daher kein Land, um schnell die Küste entlang zubrausen. Über die
Örtchen Erdsvåg, Åsane und Haukås kommen wir nun zur nächsten Fähre. Sie bringt
uns in 10 Minuten nach Knarvik. Nach Eikanger
und Bjorsvik müssen wir 5 Tunnels durchqueren,
um Vikanes zu erreichen.
Von dort geht es weiter übers Gebirge nach Matre, am Matrefjord entlang,
dem dann der Hogsfjord folgt. Wir durchqueren Solheim und kommen durchs Forddalen nach Brekke, wo
wir den Sognefjord erreichen. Von hier geht es mit der nächsten Fähre in 30 Minuten auf das gegenüberliegende Ufer nach Lavik. Am Fjordufer entlang, Richtung Osten, fahren wir
über Vadheim, Høyanger, Låne und schließlich nach Balestrand.
Weiter Richtung Nordfjord geht es über Dragsvik, zum hochgelegenen Hof Mel. Die ansteigende Straße
öffnet mehr und mehr den Blick zu den Gletscherzungen des Jostedalsbreen,
dessen Gletschereis nur den blauen Anteil des Lichts reflektiert und mit einer Ausdehnung von 815 qkm, der größte Gletscher Europas ist. In Serpentinen windet sich die Straße aufwärts bis zum höchsten Punkt (745
m) bei Nystølen. Dann geht es weiter zur Berghütte von Rørvik, oberhalb des
Haukedalsees. Bald darauf gabelt sich in Moskog die Straße. Links kommen
wir in das Städtchen Førde (10.900 Einwohner), am Endpunkt des Førdefjords. Hier liegt das Land der Wasserfälle. An der Strecke passiert man außer
dem Sunnfjord-Freilichtmuseum mit hübschen alten Bauernhäusern auch den 90 m
herabbrausenden Wasserfall Huldrefossen. Nach diesem kurzen Abstecher fahren
wir
nun auf der Hauptroute am Fluss Jølstra entlang und erreichen so den Jølstrasee. Bei der am See gelegenen Helgheim-Kapelle bietet sich eine
gute Aussicht zum Jostedals-Gletscher nach Osten und zum Grove-Gletscher
nach Süden. Schönster Punkt am lang gestreckten See ist der Touristenort Skei,
den wir als Ausgangspunkt für eine kleine Fjellwanderung nutzten. Auf
unserer Tour trafen wir ständig auf kleine und große Steinhaufen. Einige
waren rechteckig, andere rund. Diese "Warten" gibt es schon seit altersher
und werden als Wegweiser benutzt. Manchmal waren diese Wegweiser mit einem
Guckloch in Wegrichtung versehen, so dass man auch bei Nebel zurechtfinden
konnte. Unsere Route führt jetzt weiter in Richtung Norden, zunächst nach Byrkjelo,
wo sich die Straße gabelt.
Wir nehmen den rechten Arm und fahren so über
den 640 m hohen Utvikfjell, direkt auf die Karistova zu, ursprünglich
mehr eine Imbissstube mit herrlicher Aussicht auf den Nordfjord, inzwischen
jedoch zu einem Hotel ausgebaut. Der Nordfjord ist über 100 km lang und
weist zahlreiche Nebenarme mit eigenen Namen auf. Im Frühsommer kleiden
sich die Fjorde in Smaragdgrün, wenn Algen und Gletscherwasser dem Wasser
im Wettstreit ihre Farbe aufdrängen. Bald merken wir, dass der Nordfjord
dem Sognefjord nur wenig nachsteht. Schon die ersten beiden Orte, Utvik und
Innvik (deutsch: Außenbucht und Innenbucht),
atmen idyllischen Frieden. In Richtung Loen, am Ostzipfel des Fjords,
folgt Olden, ein beliebter Urlaubsort und Ausgangspunkt für einen
Abstecher zum Briksdals-Gletscher. Er ist ein Ausläufer des Jostedalsbreen
und lässt sich teils mit Karren, teils zu Fuß erobern. Eine
abwechslungsreichere Natur, wie in dieser Region, geprägt von Wasserfällen
und von der ganz besonderen Farbe des Gletscherwassers, findet man kaum
anderenorts in Norwegen. Im Sommer kann man auch mit einem Schiff über den Oldensee fahren. Aber der schönste Teil
des Nordfjords bzw. des Innvikfjords ist Loen. Auch hier führt ein Weg oberhalb des 12 km langen Sees Loenvatn zu einem Gletscherausläufer, dem Kjenndalsbreen. Den schönsten
Blick über den Nordfjord hat man, wenn man auf der Weiterfahrt am
Nordufer bei Stryn den Abzweig nach Nos nimmt. Die 18 km lange Straße ist
zwar schmal, aber dafür kann man bei Nos aus 600 m Höhe über dem Fjord
den Ausblick in beide Richtungen genießen - ein prächtiges Erlebnis, wenn
das Wetter mitspielt. In Stryn verlassen
wir dann den Nordfjord und
steuern den Hornindalsvatn an, den mit 514 m tiefsten See Europas. In
Grodås am See finden Souvenir-Sammler viele Holzschnitzereien. Durch Hornindal und Langedalen nähern
wir uns allmählich
dem Geirangerfjord. Aber wir schieben noch einen Abstecher ins Norangsdalen ein. Dabei kommen
wir zum Norangsfjord und in den Ort Øye.
Hier treffen sich Bergsteiger für kühne Touren. Immerhin steigen hier die Talwände beinahe senkrecht in die Höhe. Durch einen Lawinensturz entstand
zu Anfang des Jahrhunderts in diesem wilden und noch ganz urwüchsigen Tal
ein See, der unseren Weg begleitet. Auf unserer Hauptstrecke erreichen
wir den Sunnylvsfjord bei Hellesylt,
der allerdings
seinen ganzen Ruhm an einen Nebenarm, den Geirangerfjord, abtreten musste.
Von hier fahren wir mit dem Fährschiff, dass den Fjord von Hellesylt aus
in voller Länge durchquert, nach Geiranger. Im Sommer ist die Fähre oft
ausgebucht und Wartezeiten von bis zu 4 Stunden sind normal (Platzreservierung).
Die
Fahrt selbst dauert nicht mehr als eine knappe Stunde - und ist ein
eindrucksvolles Erlebnis. Sie führt zwischen schroffen Felswänden hindurch und auf den schon von weitem sichtbaren Ort Geiranger zu. Die Felsen an beiden Seiten des Fjords wurden im Lauf vieler
Jahre von den Matrosen der Kreuzfahrtschiffe, die hier vor Anker gingen,
mit den Schiffsnamen bepinselt - sozusagen ein Fjord-Gästebuch unter
freiem Himmel. Von den Bergen stürzen imposante Wasserfälle, wie "die Sieben Schwestern"
und "Der Freier" an der Nordseite,
in den Fjord hinunter. Einen Abstecher wollen wir zum Abschluss nicht versäumen: Wir fahren von hier
nach Süden, wo die Straße auf 17 km Länge in 20 ausladenden Windungen bis auf
1030 m Höhe ansteigt, wobei sich immer wieder neue Ausblicke auf die Fjordwelt
bieten. Von der Djupvas Hütte geht es dann in 10 Windungen nochmals rund 450 m
aufwärts auf den Gipfel des 1476 m hohen Dalsnibba. Nun stehen wir hoch über dem
Geirangerfjord auf einer Art Logenplatz mit herrlicher Rundsicht und können
Norwegens Küsten- und Fjordlandschaften noch einmal in Gedanken nacherleben. Sie
gehören, ohne Übertreibung, zu den großartigsten Landschaftseindrücken, die
Skandinavien überhaupt vermitteln kann. Angesichts dieser unbeschreiblich
schönen Natur fällt der Verzicht auf den sonnigen Süden wahrhaftig nicht schwer.
Hier will ich mal wieder herkommen - ganz sicher! |