Von Mitte Juni bis Mitte August sind Lysekils Fjord-Enthusiasten vom
Wasser nicht wegzuprügeln. Jetzt wimmelt es hier von schwedischen
Badegästen. Das alte Wikingerblut fordert sein Recht. Vor ihren Steven
liegt aber auch eines der abwechslungsreichsten Reviere, die ein Segler
sich wünschen kann. Der Gullmarn-Fjord bildet einen tiefen Einschnitt
ins schwedische Festland. Kurz vor der Einfahrt nach Munkedal wird der
Fjord kräftig eingeschnürt und von da ab wird er immer enger und enger.
Der Morgendunst hebt sich, vor uns liegt üppiger Wald, hier und da
verstecken sich Gruppen weißer Häuser mit Fenstern aus kleinen Scheiben
in Buchten und hinter Landzungen, wo der Wind nicht so bläst. Ja, wir
lieben dieses Land, wie es heraufsteigt, vom Wetter zerschunden und
zerfurcht, aus dem Wasser, mit seinen unzähligen Heimstätten.
Wenn man nun einen schwedischen Freund in Lysekil oder Munkedal hat, dann
sollte man ihn gleich bitten, ob er einen in seinem Boot mitnimmt —
hinaus auf den Gullmarn-Fjord und rüber nach Fiskebäckskil. Den Fjord
darf man nicht nur mit der Fähre von Kega nach Skar befahren, sondern
man muss ihn nämlich von allen Seiten erleben, also in einem kleinen
Boot und von der Stadt aus nach draußen. Wenn dieser Freund nun ein
richtiger Freund ist, soll heißen: auch des Fjordes, so besitzt er ein
Segelboot oder einen Kutter mit einem Einzylindermotor. Auf alle Fälle
kein Plastikgleitboot mit Außenborder. Menschen, die es eilig haben,
können den Charme des Gullmarn-Fjordes nicht entdecken. Und darauf sind
wir doch wohl aus? Das ganze Sommerhalbjahr hindurch ziehen die
Fjord-Enthusiasten am Freitag- oder Samstagnachmittag los und kommen am
Sonntagabend zurück. Hat man ein Segelboot, so bestimmt der Wind das
Ziel der Fahrt. Herrscht Windstille, dann fährt man Richtung Håby — in
einen ganz schmalen Sund an der Nordseite des Fjordes, etwa 30 Kilometer
von Lysekil. Das ist einer der ältesten und in jeder Hinsicht
volkstümlichsten Sammelplätze am ganzen Fjord. Wenn die Boote auf beiden
Seiten dicht an dicht liegen, bleibt in der Mitte nur noch eine schmale
Passage frei für das altersschwache Linienboot. Bläst der Wind
dagegen einigermaßen, geht die Fahrt weiter hinaus, vor allem nach durch
die Westschären. Zwischen den einzelnen Badeorten längs des Fjordes
liegen nicht viele Kilometer. Früher einmal waren sie mehr als Badeorte
— waren wichtige Versorgungshäfen für die schwedische
Segelschiffsflotte, und man kann immer noch ehemalige Werften hier
entdecken. Doch heute beherrschen die Sommergäste das Bild und
verschaffen den wenigen dort ansässigen Familien ein gesichertes
Auskommen. Wenn im Sommer hier abends die Feuer flackern und die
Ziehharmonika durch die helle Sommernacht klingt, lernt man ganz neue
Seiten des schwedischen Volkscharakters kennen.
Das war — im eigentlichen Sinn des Wortes — ein oberflächlicher
Eindruck, von gleicher Art, wie der jener amerikanischen Touristin, die
sich erinnerte: "Rom — war das nicht die Stadt, wo ich die grünen
Strümpfe kaufte?" Nun haben natürlich nicht alle einen schwedischen
Freund mit Boot, mit dem sie den Gullmarn-Fjord so erleben können, wie
man ihn erleben sollte. Autofahrer können aber jeden Badeort am Fjord
erreichen und gewiss sein, dass es dort einen öffentlichen, kostenlosen
Badestrand gibt. Das schwedische Jedermannsrecht erlaubt es auch
Touristen, sich kurze Zeit überall in der Natur niederzulassen - solange
sie den Eigentümer nicht stört. Nur eingezäunte Grundstücke sind tabu.
Der übliche Fehler des Touristen — das weiß jeder, der gereist ist —
besteht darin, dass man soviel wie möglich sehen will, mit dem Ergebnis,
dass man reist und reist und in Wahrheit nur Landstraßen, Flugplätze und
Hotelzimmer sieht. In Schweden sollte man sich lieber auf einen
Landesteil konzentrieren, zum Beispiel auf das Land rund um den
Gullmarn. Hier gibt es typisch die schwedischen Inseln und Schären, die
die Häusergruppen und Bootshäfen gegen das Meer draußen schützen — aber
das Meer ist da, und ganz draußen, wo es anbrandet, wo das Wasser nie
richtig warm wird und wo es grün und salzig ist, da ist die vom Sturm
zerzauste Landschaft am Schönsten. |