Wer heute durch Ostfriesland fährt, glaubt vielfach noch unberührte Natur
entdecken zu können. Doch er täuscht sich. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen
ist Ostfriesland eine von Menschenhand geschaffene Landschaft, in welcher der
Mensch die vorgefundenen Lebensräume so veränderte, dass er darin leben konnte.
Noch vor dem Jahre 1000 war das Innere Ostfrieslands von Wäldern geprägt, in
deren Lichtungen gelegentlich Bauernhöfe errichtet wurden.
Absolut lebensfeindlich waren die großen Moore, durch die einige Bohlenwege
führten. Erst als die Bevölkerung immerweiter zunahm, gingen die Menschen daran,
diese unheimlichen Landschaften zu erschließen, um darauf neue Siedlungen
errichten zu können. Die Wälder wurden gerodet und an den Seiten der Moore
begann man mit der Entwässerung und dem Abbau des Torfes. Die zweite Phase
der Moorerschließung ist die Gründung der Fehne im Dreißigjährigen Krieg.
Findige Geschäftsleute nutzen das Versiegen der Torflieferungen aus den
Niederlanden, um eine eigene Versorgung mit dem lebenswichtigen Brennstoff zu
sichern. Die Erschließung erfolgte über Kanäle, die ins Moor vorgetrieben
wurden. An den Kanälen wurden Häuser errichtet und per Schiff konnte der
Brennstoff nach Emden gebracht werden. Die dritte Phase der Moorerschließung
beginnt mit dem Aussterben des ostfriesischen Fürstenhauses der Cirksena und
ihrer Nachfolge durch den „Alten Fritz", dem König von Preußen. Er schaffte das
"Upstreekrecht" ab, erklärte sämtliche nicht genutzte Ländereien zu
Staatseigentum und teilte das Land unter die Moorkolonisten auf. Den
Schlusspunkt unter diese Umwandlung des Naturraumes Hochmoor bildete die
Gründung der jetzigen Stadt Wiesmoor im Jahre 1906. Mit dem abgebauten Torf
wurde bis 1964 ein Kraftwerk betrieben. Dann war der Torf abgebaut und nur noch
wenige Flächen ehemaliger Hochmoorflächen sind in Wiesmoor übrig geblieben.
Heute gibt es in Ostfriesland kaum noch "echtes" Hochmoor, das nicht entwässert
wird und so seinen ursprünglichen Charakter bewahren konnte. Die große
Ausnahme stellt das Gebiet rund um das Ewige Meer zwischen Aurich und Westerholt
dar. Es ist definitiv der letzte Rest „unberührter" Natur, den man in
Ostfriesland sehen kann – und es ist nicht ungefährlich, diese unberührte Natur
zu betreten. Am besten ist es, wenn man hierzu den Bohlenweg benutzt, der bei
Eversmeer zum Ewigen Meer führt. Es sei denn, man möchte in einigen hundert
Jahren als Moorleiche in einem Museum ausgestellt werden. Das
Naturschutzgebiet Ewiges Meer liegt inmitten des ca. 33 qkm großen Moorkomplexes
"Großes Moor" im Landkreis Wittmund zwischen Aurich und Westerholt. Das Ewige
Meer hat eine Größe von 1180 ha, davon sind 91 ha Wasserfläche. Neben der
Hauptwasserfläche gibt es noch das Kleine Eversmeer (3,7 ha), die Dobbe (8 ha)
und das Krickmeer (0,7 ha). Es ist Deutschlands größter Hochmoorsee und steht
seit 1939 unter Naturschutz, aber zunächst war der Schutz nur halbherzig
durchgesetzt. Es wurde zwar nicht mehr entwässert und kein Torf gestochen, aber
das Jagen, Schlittschuhlaufen und Querfeldeinwandern waren erlaubt. Da das
flache Wasser sich im Sommer schnell erwärmt, wurde ein ca. 400 m langer
Streifen am Nordufer, der nur wenige bis keine Braunschlammschichten aufwies,
früher schnell zur beliebten Badestelle. Erst 1971 wurden weitere
Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt. Am Nordufer wurden Faschinen bestehend aus
Reisig und dickeren Ästen errichtet, um den Böschungsbruch zu verhindern. In den
1970erJahren wurden schon trocken gelegte Flächen wieder vernässt und allmählich
konnte sich der Naturraum zu seiner heutigen Gestalt zurückentwickeln. Es wurden
Wehre und Staudämme angelegt und schon bald wuchsen die Torfmoose wieder – und
das sogar überraschend schnell. Am Nordrand befindet sich ein 1,8 Kilometer
langer Bohlenweg, der im Jahr 2000 um einen Moorlehrpfad mit Bildtafeln und
vielen Informationen über den Naturraum Hochmoor erweitert wurde. Der Süden des
Gebietes ist für Besucher unzugänglich. Die beste Zeit das
Ewige Meer zu erleben sind die Sonnenaufgangs- oder Untergangstunden, sowie der
Spätherbst oder Winter, wenn die Nebelschwaden über das Land ziehen. Um das
Naturschutzgebiet Ewiges Meer führt eine 32 Kilometer lange Fahrradroute mit
zahlreichen Sehenswürdigkeiten durch die Hochmoorregion.
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