Unter der Bezeichnung sameslöjd werden in Skandinavien künstlerisch wertvolle
Arbeiten aus Rentierleder, Rentierhorn, Rentiersehnen und Birkenholz hergestellt. Bis zu den Zaubertrommeln früher Schamanenzeiten sind künstlerische Begabung und
handwerkliche Fähigkeiten der Samen zurückzuverfolgen. Die mit Zeichen und
Symbolen bilderschriftartig geschmückten Felle dieser Trommeln, auf denen ein
kleiner Zeiger aus Horn lag, wurden mit einem Hammer in Vibrationen versetzt:
Der Zeiger bewegte sich und wies, wie die Götter es wollten, auf die Symbole,
die alle Fragen nach Leben und Tod, Jagderfolg, Wetter und Wohlergehen der
Rentierherde beantworteten. Nur wenige dieser kunstvoll dekorierten Weissagungsinstrumente entgingen während
der Christianisierung der unnachgiebig angeordneten Verbrennung. Die alten
Zeichen und geometrischen Ornamente haben sich über
Jahrhunderte gehalten. Charakteristisch des sameslöjd, der samischen Handarbeit,
sind die mit einfachen, traditionellen Mitteln farb- und formschöne, funktionelle
Gegenstände — bis die Technik die natürlichen Lebensbedingungen
dieses Volkes veränderte. Die Museen von Stockholm (Nordiska Museum), Luleå, Umeå, Jokkmokk und
Arjeplog,
zeigen exquisit gearbeitete und verzierte Dinge des täglichen Gebrauchs von
einst, für die die Natur das Material lieferte: Der Wald gab Rinde und
verschiedene Holzarten, das Rentier Horn und Knochen, Häute und Sehnen. Neben
Axt, Messer, Bohrer, Nadel, Schaber und Pfriem aus Rentierknochen wurden die
eigenen Finger und Zähne als Werkzeuge benutzte man bei der Käseherstellung:
Durch den weitmaschigen Boden konnte die Molke abfließen. Kleinere Gegenstände
wie Löffel, Etuis für Nadeln, Messergriffe und -scheiden wurden aus Rentierhorn
gearbeitet, das auch für Schmuckeinlagen an Holzarbeiten verwendet wurde — mit Kerbschnittornamentik versehen und Pflanzenfarbe eingefärbt. Aus großen
Birkenknorren entstanden Milchkellen mit eingezogenem Rand, der das
Überschwappen der Milch verhinderte. Einen geraden Rand hatten die kleinen, am
Gürtel getragenen Trinkgefäße mit verziertem Griff. Kleider, Schuhe, Beutel und
Taschen wurden aus Rentierleder gemacht, das je nach Bedarf enthaart und in
einer Lauge aus Birken- oder Weidenrinde gegerbt und mit Erlenfarbe gefärbt
wurde. Zum Nähen dienten aus Rentiersehnen gezwirnte Fäden. Weibliche und männliche Tätigkeiten wurden auch bei der Handarbeit streng
unterschieden. Arbeiten, die viel Kraft und schweres, gefährliches Werkzeug
erforderten, wurden von den Männern ausgeführt. Den Frauen waren die feinen
Arbeiten überlassen — zum Beispiel das Weben von Bändern, die für die
Herstellung von Zierborten, Gürteln und Schuhbändern benötigt wurden. Zum Weben
diente ein Gerät aus Rentierhorn. Die Webmuster unterteilte man ebenfalls in
männliche und weibliche. Als besondere Kunst der Samen gilt die
Zinnfadenstickerei. Seit dem 17. Jahrhundert verzierten sie Kragen, Gürtel und Taschen, die zur
Tracht gehörten, und sogar die Geschirre ihrer Rentiere mit dieser Handarbeit,
die Geschick und viel Geduld erforderte: Aus einer Mischung von geschmolzenem
Zinn und Blei wurden dünne Stäbe gegossen, die anschließend durch Löcher in
einer Hornplatte gezogen wurden. Mindestens einhundert Mal mussten die Fäden
durch immer kleinere Löcher, bis sie fein genug waren, um mit einer Spindel um
einen Rentiersehnenfaden gesponnen und schließlich auf Stoff gestickt zu werden. Die geometrischen Muster der Stickerei, ihre dekorative Anordnung auf dem an
Patchwork erinnernden Besatz und die Kombination klarer, starker Stofffarben mit
dem silbrigen Ornament sprechen eindeutig und fröhlich von dem Talent der Samen,
Materialien liebevoll und künstlerisch zu verwenden. Eine Wiederbelebung der
handwerklichen und künstlerischen Traditionen aus
vorindustrieller Zeit ist vor allem von der 1942 gegründeten
Volkshochschule in
Jokkmokk ausgegangen. Zwar ist heute, unter Berufung auf althergebrachte Formen
und Techniken, eine Art Souvenir-Industrie entstanden, die Elemente aus dem
Kulturgut der Samen in allzu glattes, nordischmodernistisches Design übersetzt –
daneben stehen aber auch staatlich geförderte und private Bemühungen, das
originäre Kunsthand werk durch fördernde Vereine und Ausstellungen in das
gebührende Licht zu rücken und durch Ausbildung von Nachwuchskräften
fortzuführen.
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