Heute wollen wir mit dem Fahrrad nach Peenemünde auf der Insel Usedom. Von dort
soll es dann weiter zum Ostseebad Zinnowitz gehen und danach über die neue
Wolgastbrücke nach Wolgast, von wo aus wir wieder nach Freest zurück radeln.
Trubel und Einsamkeit, Naturschönheiten, weißer Sandstrand und über 1.900
Sonnenstunden jährlich, so steht's im Reiseführer. Wir sind gespannt, was wir
von all dem finden.
Eine Fähre bringt uns zunächst vom Freester Fischhafen in die 300-Seelen
Gemeinde Peenemünde.
Die kleine, achteckige Friedhofskapelle von 1860 ist das einzige Bauwerk
zurückliegender Stilepochen und hat auch das Flächenbombardement vom 18.08.1943
auf die Heeresversuchsanstalt überstanden. Wir besuchen das Kraftwerk der
ehemaligen Peenemünder Versuchsanstalten, dass heute das größte technische
Denkmal in Mecklenburg-Vorpommern ist.
Unlösbar verbunden ist die
Geschichte des Ortes Peenemünde mit der Entwicklung der Raumfahrt. 1936 wurde
Peenemünde zum Raketen- Forschungs- und Versuchszentrum ausgebaut. Am 3.10.1942
gelang es erstmals, eine Großrakete in den Weltraum zu befördern. Unter Leitung
von Wernher von Braun wird an der Entwicklung einer dreistufigen
Satellitenrakete arbeitet. Aber Hitler fordert seine Wunderwaffe, und nach dem
Attentat auf das Führerhauptquartier erhält ab Juli 1944 Reichsführer der SS
Himmler die Befehlsgewalt über
Peenemünde. Damit wurde besiegelt, dass
Peenemünde nicht nur der Geburtsort der Raumfahrt ist, sondern auch mahnend
dafür steht, wie wissenschaftliches Genie für antihumanistische Ziele
missbraucht wurde.
Dokumente, Zeitzeugeninterviews,
Dokumentationsfilme und Originalteile in dem Museum vermitteln eine Vorstellung
von der Arbeit der Peenemünder Spezialisten und von den verheerenden Folgen der
neuen Waffe. Ein zweiter Ausstellungsabschnitt widmet sich der Entwicklung der
Raketentechnik nach dem zweiten Weltkrieg und somit vor allem dem Wettrüsten im
"Kalten Krieg", aber auch den ersten Erfolgen in der zivilen Raumfahrt. Darüber
hinaus zeigt das Museum auf dem ca. 120.000 mē großen Freigelände vor allem
russische Raketen, Flugzeuge, Hubschrauber und ein Raketenschiff aus den
Beständen der Nationalen Volksarmee, sowie der Walter-Rohrschleuder.
Nachdem wir uns alles angesehen und fotografiert haben, fahren wir über Karlshagen in
das Ostseebad Zinnowitz. Dieser historische Badeort ist von ausgedehnten Buchen-
und Nadelwäldern umgeben und bietet hervorragende Bade- und
Erholungsmöglichkeiten. Auf der schönen langen Promenade mit dem weißen
Sandstrand machen wir an einem Bistro Rast und stärken uns ein wenig. Die 315
Meter langen Seebrücke ist Anlegestelle für Ausflugsfahrten nach Rügen, Bornholm
und Swinemünde. Wir genießen bei dem schönen, sonnigen Wetter die kühle Seeluft,
das Rauschen des Meeres und den Blick über den breiten, weißen Sandstrand auf
die Pommersche Bucht. Direkt an der Seebrücke gelegen, lädt uns eine
Tauchgondel
zu einem Tauchgang in die Tiefe der Ostsee ein. Dreieinhalb Meter unter der
Wasseroberfläche können wir bei einer Sichtweite von knapp 4 Metern die
heimische Flora und Fauna der Unterwasserwelt bestaunen und einige possierliche
Lebewesen beobachten.
Nach diesem tollen Erlebnis geht es weiter nach
Wolgast. Nach knapp 10 km überqueren wir die imposante
Wolgastbrücke, die die
Insel Usedom mit der Kreisstadt Wolgast verbindet. Direkt hinter der Brücke sehe
ich am Brücken-Bistro ein Schild "Pommersche Rauchwurst". Das mussten wir doch
mal probieren. Wir bekamen je eine Wurst, frisch aus dem Räucherofen, über
Buchenholz geräuchert und ich kann nur sagen "was für eine Gaumenfreude".
Im Stadtkern zeugen teilweise gut erhaltene und sehenswerte Fachwerkbauten vom
städtischen Charakter des schon im Mittelalter bedeutenden Hafens. In seinen
Mauern beherbergt Wolgast Erinnerungen an einen seiner berühmtesten Söhne, den
Maler Philipp Otto Runge, der gemeinsam mit Caspar David Friedrich einer der
bedeutendsten Vertreter der romantischen Malerei in Norddeutschland war. Das
Haus in der Kronswiekstr. 45 wurde 1750 erbaut und diente zur damaligen Zeit als
Wohn- und Handelshaus der Familie Daniel Niklaus Runge, der der schwedischen
Krone diente, da dieser Landstrich zur damaligen Zeit Schweden unterstand. Hier
wurde Philip Otto Runge geboren. In seinem Ursprung blieb das Haus bis zur
heutigen Zeit erhalten und dient heute als Gedenkstätte des Malers. Zu sehen
sind hier der künstlerische Lebensweg des großen Malers sowie ein Teil seiner
Werke.
Wolgast verfügt über eine Schiffswerft, in der hauptsächlich
Küstenmotorschiffe und Luxusyachten produziert werden. Der Hafen von Wolgast hat
sich vor allem auf den Umschlag von Getreide und Baustoffe konzentriert.
In der Altstadt schauen wir uns das historische Rathaus aus dem 15. Jahrhundert an.
Es dient heute hauptsächlich repräsentativen und touristischen Zwecken - die
Verwaltung der Stadt ist vor einigen Jahren in das Technische Rathaus gleich um
die Ecke umgezogen.
"Kaffeemühle" wird das historische Museum der Stadt
Wolgast liebevoll genannt. Nicht etwa, weil man hier in einem Cafe auch einen
Kaffee trinken kann sondern weil die Dachkonstruktion des Hauses an eine
Kaffeemühle erinnert - wenn auch ohne Kurbel zum Mahlen. In dem ehemaligen
Getreidespeicher aus dem 17. Jahrhundert kann man die einstige slawische
Besiedlung des Gebietes um Wolgast nachvollziehen. Über die Seefahrtsgeschichte
der Stadt, deren Fluss, der Peenestrom, über Jahrhunderte die einzige Ausfahrt
zur Ostsee aus dem Binnenland war, konnten wir uns ebenso informieren, wie über
die Industrialisierung und über die Zeit von 1933 bis 1990. Der ehemalige
Kornboden ist heute eine historische Handwerkerstraße mit Frisörzimmer,
Schusterei, Apotheke, Druckerei, Knüpfstube usw. Auch auf dem kleinen Innenhof
ist ein gutes Verweilen möglich. Ein Rad mit Glasplatte versehen, ist im Hof zu
einem kleinen Tisch umfunktioniert worden. Einst war es ein Aufzugsrad, mit
dessen Hilfe von der breiten Einfahrtsdiele aus das Getreide direkt von den
Pferdewagen zum Trocknen auf die Böden des Hauses transportiert werden konnten.
Im Jahre 1994 erfolgte im Landkreis Wolgast die Erfassung aller schützenswerten
Gebäude, Gebäudeteile und Ensembles durch das Landesamt für Denkmalpflege in
Schwerin. So erhielten ca. 850 unter Denkmalschutz gestellte Objekte ihren
gebührenden Wert als eingetragenes Denkmal. Durch umfangreiche Fördermaßnahmen,
auch mit Hilfe von Denkmalpflegmitteln sind sie heute in ihrer einstigen
Schönheit zu bewundern.
Zum Abschluss unserer Stadtbesichtigung besuchen wir noch die evangelische
St.- Petri-Kirche aus dem 13. Jahrhundert. In der der Gruft liegen die
Zinnsarkophage von sieben Angehörigen der Herzogsfamilie zu Pommern-Wolgast.
Über 184 steile Stufen steigen wir zu der Aussichtsplattform, von wo aus wir
einen weiten Blick über die Stadt haben.
Bevor wir uns am Nachmittag auf den
Rückweg machen, fahren wir nochmals am Brücken-Bistro vorbei und kaufen uns
erneut diese schmackhafte Pommersche Rauchwurst. Nach 7 km radeln erreichen wir
den kleinen Ort Kröslin. Charakteristisch für die Umgebung ist die einzigartige
Verbindung von Wäldern, Seen und Küste. Sehenswert ist die im 13. Jahrhundert
erbaute Kirche mit einem von Freester Frauen handgeknüpften Altarteppich.
Die Sonne stand schon tief, als wir nach weiteren 3 Kilometern wieder unseren Campingplatz
in Freest erreichten. Wir genossen noch
ein wenig die letzte Abendsonne, bevor wir uns schlafen legten. |